St. Peter und Paul, Pfarrheim

Mit dem Pfarrheimkonzert „Mozart im historischen Gewand“ präsentierte Kantor Ingo Hoesch der interessierten, großen Hörerschaft das neuangeschaffte, digitale Instrument, dass im Pfarrheim in Aldekerk steht – und bisher vor allem für die Chorarbeit genutzt wird.
Die Idee für das Format „Pfarrheimkonzert“ kam dem Musiker, da aufgrund der Energiekrise die Kirchen nur noch auf höchstens 12 Grad Celsius temperiert werden dürfen und von daher in der Zeit von Oktober bis April für Konzerte nicht zur Verfügung stehen. Da die Pfarrgemeinde auf Wunsch des Musikers Hoesch im Dezember 2022 ein hochwertiges digitales Instrument für das Pfarrheim in Aldekerk angeschafft hat, entstand die Idee, dieses nicht nur für Chorproben zu nutzen, sondern auch für Konzerte. Für den ersten Abend auf diesem Instrument suchte sich Hoesch ein Programm nur mit Mozartwerken aus, und stellte diese in verschiedenen Klängen vor.
Dieses Instrument bietet Samples von div. Instrumenten – verschiedene Konzertflügel, Cembalo, Truhenorgel (Prinzipal 8´) und Hammerflügel der Mozartzeit und vielen anderen Instrumenten und Rhythmen. Dazu gibt es die Möglichkeit die Kammertonhöhe des Instrumentes anzupassen. So sind die Werke auf Cembalo und Hammerflügel und Truhenorgel im Kammerton (a´) mit 430 Hz gespielt und die Werke auf dem Konzertflügel (Kammerton a´) mit 442 Hz. Ebenso kann die Stimmung verändert werden – von der „gleichschwebenden“ Stimmung, die heute an Flügeln zu finden ist, oder Stimmungen einzustellen, die weg gehen von der gleichschwebenden Stimmung.
Die Tonerzeugung beim Cembalo erfolgt durch „Kiele“; die die Saiten des Instrumentes von unten anreißen. Der Klang des Registers (hier 8´) kann nur durch einen Lautenzug verändert werden – dadurch wird der Klang deutlich leiser und die Nachklingzeit des Tones erheblich verkürzt.
Der Hammerflügel ist eine Weiterentwicklung des Cembalos – hier werden die Saiten schon von Hämmern angeschlagen. Die Hämmer sind aber deutlich leichter, als die heutigen und auch nicht mit Filz, sondern mit Leder bespannt. Das hat hörbare Auswirkungen auf den Klang.
Es gab noch keine Pedale, wie am heutigen Flügel. Einen Dämpfereffekt konnte man mit einem Zug (ähnlich dem Lautenzug am Cembalo) erzeugen. Ein weiterer Unterschied zum Cembalo war, dass in der tiefen Oktave nunmehr zwei Saiten klangen, und nicht mehr eine, wie beim Cembalo.
Der Konzertflügel ist zur Zeit das am weitesten entwickelte Instrument. Im Bassbereich werden durch die mit Filz bespannten Hämmer eine Saite, im mittleren Bereich zwei Saiten und im hohen Klangbereich drei Saiten angeschlagen. Darüber hinaus gibt es drei Pedale – eines zum Dämpfen, eines zum Halten eines Tones/Akkordes, nachdem man diesen angeschlagen hat und ein drittes Pedal, dass auch für die Verlängerung des Klanges (aber eben anders als das andere „Haltepedal“) sorgt.
Hoesch spielt die Werke auf dem Konzertflügel meistens ohne das Pedal zu nutzen, in wenigen Fällen nutzt er es sehr sparsam, um nicht Strukturen etc. zu verwischen.



KV 5, Menuett für Cembalo F-Dur
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 5, Menuett für Cembalo F-Dur, Cembalo
KV 5, Menuett für Cembalo F-Dur, Hammerflügel
KV 5, Menuett für Cembalo F-Dur, Konzertflügel


KV 330, Klaviersonate C-Dur
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 330, Klaviersonate C-Dur, Hammerflügel


KV 61g-II, Nannerls Notenbüchlein, Menuett in C-Dur
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 61g-II, Nannerls Notenbüchlein, Menuett in C-Dur, Konzertflügel
KV 61g-II, Nannerls Notenbüchlein, Menuett in C-Dur, Cembalo
KV 61g-II, Nannerls Notenbüchlein, Menuett in C-Dur, Hammerflügel


KV 94, Menuet für Cembalo (KV 73h) D-Dur
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 94, Menuet für Cembalo (KV 73h) D-Dur, Cembalo
KV 94, Menuet für Cembalo (KV 73h) D-Dur, Hammerflügel
KV 94, Menuet für Cembalo (KV 73h) D-Dur, Konzertflügel


KV KV Anh. 109b-8, Londoner Skizzenbuch
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV KV Anh. 109b-8, Londoner Skizzenbuch, Cembalo
KV KV Anh. 109b-8, Londoner Skizzenbuch, Hammerflügel
KV KV Anh. 109b-8, Londoner Skizzenbuch, Konzertflügel


KV KV Anh. 109b-9, Londoner Skizzenbuch
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV KV Anh. 109b-9, Londoner Skizzenbuch, Cembalo
KV KV Anh. 109b-9, Londoner Skizzenbuch, Hammerflügel
KV KV Anh. 109b-9, Londoner Skizzenbuch, Konzertflügel


KV 154, Versette in D
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 154, Versette in D, Truhenorgel
KV 154, Versette in G, Truhenorgel


KV 397, Phantasie in d-Moll
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 397, Phantasie in d-Moll, Hammerflügel
KV 397, Phantasie in d-Moll, Konzertflügel


KV 485, Rondo in A-Dur
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 485, Rondo in A-Dur, Hammerflügel
KV 485, Rondo in A-Dur, Konzertflügel

Mozart im historischen Gewand

Im Konzert spielte Ingo Hoesch die Klaviersonate C-Dur KV 330 (300h). Diese Sonate erklang auf dem Hammerflügel in 430Hz, was ungefähr ein Halbton tiefer als der heutige Kammerton ist. Die Sonate hat drei Sätze: Allegro moderato – Andante cantabile – Allegretto. Sie wurde wahrscheinlich 1778 in Paris komponiert. Sie zeigt in ihren klaren Strukturen und perfekten Proportionen, wie eine Sonatenhauptsatz aufgebaut und umgesetzt wird. So könnte sie als „Lehrstück“ für den Kompositionsunterricht gedacht sein, oder aber für die „Hausmusik“. Die beiden schnellen Sätze sind fröhlich und beschwingt, eine Coda im Schlusssatz verlängert den musikalischen Spaß, während der Mittelsatz (F-Dur/f-Moll) eine hohe Emotionalität auf engsten Raum und eine enorme Ausdrucksstärke bietet.
In der Gegenüberstellung von Cembalo, Hammerflügel (430Hz) und Konzertflügel erklangen einige Stücke aus dem „Notenbuch für Nannerl“. Dies waren die Menuette in F-Dur, C-Dur und D-Dur. Die meisten Stücke hat Leopold notiert, da Mozart selber die Notenschrift noch nicht beherrschte. Interessant ist, das bis auf das Menuett in C diese keine Trios haben.
Das Notenbüchlein fürs „Nannerl“ umfasst die Kompositionen KV 1-73 – es sind vor allem Tänze (Menuette), aber auch Sonatensätze und andere Spielstücke.
Ebenso erklangen Werke aus Mozarts „Londoner Skizzenbuch“ (KV 15 und KV Anh. 109). Auch diese kleinen musikalischen „Ideen“ Mozarts interpretierte Hoesch sowohl auf Cembalo / Hammerflügel und modernem Konzertflügel.
Zwei Versetten (KV 154) bot Hoesch mit dem Klang eines Prinzipals 8´einer Truhenorgel dar. Diese Form der Musik (kleine, kurze Fugen) wurden alternierend zum Gesang eines Psalmes, Te Deum oder Magnificat intoniert, wenn dieser von einer Schola gesungen wurde, abwechselnd mit dem Gesang. Beide Stücke, das erste in G-Dur, das zweite in D-Dur, sind nur um die 16 Takte lang. Ob diese Stücklein wirklich von Mozart sind, oder nur von ihm kopiert, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden – ein Grund dafür ist u. a. die Kürze der Stücke.
Nach diesen kleinen und kurzen Stücken Mozarts wendete sich Hoesch wieder den größeren Formen zu.
Dies tat er in Gegenüberstellung des Hammerflügels (430 Hz) mit dem Konzertflügel (442 Hz) anhand der „Phantasie in d-Moll“, KV 397. Diese ist sicherlich neben dem „Türkischen Marsch“, der „Sonata facile“ (C-Dur) eines der Klavierwerke, durch dass sich (fast) jeder Klavierschüler gequält hat.
Mozart hat noch eine weitere große Klavierphantasie in c-Moll geschrieben und eine, ebenfalls in c-Moll, die aber einer Klaviersonate in c-Moll vorangestellt ist.
In seinen Phantasien erleben wir Mozart von einer sehr emotionalen, empathischen Seite. Die d-Moll Phantasie entsteigt gebrochenen Akkorden aus der Tiefe (d-Moll), bietet viele beseelte Pausen, herzzerrreissende Lamento-Abschnitte, dramatische Ausbrüche. Eine Seelenlandschaft, die tiefe Zerrissenheit und Verzweiflung wiederspiegelt – und doch endet das Stück mit einem fröhlichen D-Dur Teil. Ob Mozart hier seine eigene Verfassung wiedergibt – er hatte immer wieder mit nicht unerheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen – hatte nicht immer eine gute und sichere Anstellung, war viel unterwegs….
Dieses Stück bekommt durch den etwas knarzigen und verhaltenen Klang des Hammerflügels eine neue, ungeahnte Durchhörbarkeit und Klarheit, die am heutigen Konzertflügel durch zu vielen Gebrauch des Haltepedals oft verwaschen und unklar herüberkommt.
Das Konzert endete mit dem herrlichen Rondo in A-Dur, KV 485, eine Petitesse voller Fröhlichkeit, voller Freude und voller Überraschungen, den die Tonart des musikalischen Motivs ist immer im Wandel. Und die größte Überraschung ist vielleicht der Schluss – nicht wie so oft ein jubelnder, aufbrausender Schluss, sondern ein verklingen, ein ausruhen, wie nach einer erlebnisreichen Reise oder Gesellschaft… So endete der Abend nicht im „forte“ oder „Fortissimo“, sondern im „Pianissimo“ des Hammerflügels.
Das Publikum des Konzertes war so zahlreich erschienen, dass der Raum an seine Grenzen kam und noch Stühle nachgestellt werden mussten.
Ein Abend, der nicht nur dem Publikum, sondern auch dem Musiker Spaß gemacht hat und die Güte und Qualität auch digitaler Instrumente aufgezeigt hat. Das Publikum bedankte sich mit langanhaltendem Applaus – auch für die informative und launige Moderation durch den Musiker Hoesch. Und es äußerte den Wunsch, das weitere Konzerte diesem ersten Abend folgen.


Ingo Hoesch

Klavierunterricht ab dem 7. Lebensjahr Orgelunterricht ab dem 13. Lebensjahr 1. Leitung eines Kirchenchores mit 14, bald weitere Chöre Während der Abiturzeit nebenberufliche Tätigkeit als Kirchenmusiker und Beginn einer intensiven Konzerttätigkeit als Organist und Kammermusiker.
1995-2000 Studium der Kirchenmusik, Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. Abschluss: Staatsexamen ev. Kirchenmusik (Master). Chordozenten Prof. Hempfling, Raimund Wippermann. Während des Studiums Chorleitungskurse u.a. bei Eric Ericson, Gary Graden und Prof. Timo Nuoranne.
Buchveröffentlichung: „Stimmphysiognomie & Atemtechnik“ (Verlag D. Kunert)
Orgelführungen, Orgelschnuppertage, Orgel- und Chorleitungsunterricht
Hauptamtlicher Kirchenmusiker GV Heilig Geist Krefeld. Seit 1.5.2021 Künstlerischer Leiter/Dirigent „Kammerchor Libera Voce e.V.“.Ab 1.1.2022 hauptamtlicher Kirchenmusiker in St. Dionysius, Kerken.