Stephanssaal Karlsruhe

Aus der Programmbeschreibung der 5. Sinfonietta-Konzerte der Jungen Philharmonie Karlsruhe:

Das Programm versucht den Spagat, vier in Besetzung, Epoche, Gattung und Stil höchst unterschiedliche Werke zu einem in sich stimmigen und überzeugenden Konzert zusammenzufügen. Bewusst liegt dabei der Fokus auch auf Komponisten, deren Namen eher (zu) selten in Programmheften zu lesen sind, deren Musik aber mit ihrer Lebendigkeit und Frische überzeugt.
Eröffnen wird Le Roi s'amuse (1882) von Leo Delibes, eine Musik zum gleichnamigen Theaterstück von Victor Hugo. Sechs Tänze "im alten Stil" zitieren galant die Renaissance, atmen dabei aber unverkennbar den Charme französischer Ballettmusik des 19. Jahrhunderts.
Es folgt die Serenade für Streicher Es-Dur op. 6 (1892) von Josef Suk, der sich in den vier Sätzen dieses erstaunlichen Jugendwerks nicht nur als kongenialer Erfinder ohrwurmverdächtiger Melodien zeigt, sondern auch als handwerklich außerordentlich firmer Komponist, der bruchlos das Idiom seiner böhmischen Heimat zu einer ganz eigenen Tonsprache weiterzuentwickeln beginnt – ein Paradestück für jedes Streichorchester.

Nach der Pause setzt sich der Dirigent dann an den Flügel und musiziert mit vier Bläsern des Orchesters das Quintett Es-Dur für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier KV 452 (1784) von Wolfgang Amadeus Mozart, welches der Komponist als "das beste, was ich noch in meinem Leben geschrieben habe" bezeichnete. Dieses im besten Sinne unaufgeregte und ausgewogene Stück bildet den Ruhepol des Konzerts. Es ist die Atempause vor dem furiosen Finale: in nur knapp 14 Minuten packt Albert Roussel die drei Sätze seines Concert pour petit orchestre op. 34 (1927). Was als "Konzert für Orchester" – analog zum späteren und berühmteren Werk seines Kollegen Bartók – wie ein Widerspruch in sich klingt, erschließt sich beim Hören: in dieser ungemein virtuosen und pfiffig instrumentierten Partitur wetteifert wirklich ein Ensemble aus Solisten. Die Musik erinnert in ihrer ungebremsten Spielfreude, Ironie (am Ende schwankt noch wie betrunken ein Walzer hinein, der gleich wieder untergeht) und Lust am Klang an die Musik der französichen Komponistengruppe Groupe des Six. Hiermit ist der Bogen über alle Epochen von der Renaissance bis zur Moderne geschlagen und geographisch schließt sich der Kreis rund um Deutschland: Nach Ausflügen in Richtung Tschechien und Österreich sind wir wieder in Frankreich angelangt – wahrscheinlich ohne es zu bemerken und hoffentlich um eine Reihe außergewöhnlicher Höreindrücke reicher.

Musikalische Leitung: Tobias Drewelius


KV 452, Klavierquintett Es-Dur
Solisten: Gustav Berger (Oboe), Miriam Hettinger (Klarinette), Rosalie Suys (Fagott), Jakob Glatzel (Horn), Tobias Drewelius (Klavier)
Aufnahme am 4. November 2018 im Stephanssaal Karlsruhe

KV 452, Klavierquintett Es-Dur
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Largo - Allegro moderato
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Larghetto
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Allegretto

KV 452 Stephanssaal Karlsruhe

Das Quintett für Oboe, Klarinette, Fagott, Horn und Klavier Es-Dur KV 452 scheint Wolfgang Amadeus Mozart besonders am Herzen gelegen zu haben: In einem Brief an seinen Vater schreibt er, es sei „das beste was ich noch in meinem Leben geschrieben“ und auch die mit ihm spielenden Musiker, Solobläser der Hofkapelle Kaiser Josephs II., bedenkt er mit großem Lob, hat er ihnen die überaus anspruchsvollen Parts doch auf den Leib geschrieben.
Woraus nährt dieses Quintett seine Besonderheit? Vielleicht ist es auch hier ein mehrfacher Spagat, zunächst einmal ein formaler: einige Passagen klingen kammermusikalisch intim, andere behandeln das Klavier wie ein konzertierendes Soloinstrument, wieder andere haben die Raffinesse eines Opernfinales mit virtuosen Rollenwechseln. Außerdem wählt Mozart die klassische dreisätzige Konzertform mit langsamem Mittelsatz anstelle der viersätzigen sinfonischen Form, im eher galanten statt spritzigen Finale taucht eine Kadenz auf, die allerdings nicht vom Klavier, sondern von den Bläsern bestritten wird. Die langsame Einleitung wiederum scheint eher einer Sinfonie entnommen zu sein.
Einen weiteren Ausgleich sucht (und findet) Mozart zwischen kecken Spielfiguren und einem immer kantablen Grundgestus, der einige seiner bis dahin schönsten melodischen Erfindungen beinhaltet – insbesondere im Larghetto, wo einige Phrasen bis in die Romantik vorauszugreifen scheinen. Die letzte herzustellende Balance ist die zwischen den Instrumenten. Die Besetzung mit vier Bläsern und Klavier ist zu Mozarts Zeiten singulär, und es gibt auch nach seinem Tod nur sehr wenige Nachahmerwerke. Die Instrumentenzusammenstellung ist sehr empfindlich und verlangt vom Komponisten viel Klangsinn und Gespür für Registerfarben und dynamische Möglichkeiten. Mozart vergrößert diese Herausforderung noch durch einen dichten Satz, oft im doppelten oder mehrfachen Kontrapunkt, der ihm maximal viele Möglichkeiten für Stimmentausch und Rekombination bietet. Tatsächlich ist dieses Quintett eines der ganz wenigen Stücke Mozarts, von dem man Skizzen und Versuche im Particell kennt, die allermeisten schrieb er mit einer erstaunlich geringen Anzahl von Korrekturen oder auch nur dem Anschein eines Arbeitsprozesses einfach nieder. Seine Zufriedenheit mit dem Ergebnis dürfte also auch eine Zufriedenheit sein, diese anspruchsvolle Aufgabe gemeistert zu haben – und das auf eine Art und Weise, die den Zuhörern trotzdem vollkommene Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit suggeriert.


Gustav Berger

Gustav Berger, geboren 1992, begann mit zehn Jahren Oboe zu spielen. Nach Unterricht bei Petra Rainer, Isabella Unterer und Prof. Günther Passin an der Universität Mozarteum Salzburg, wechselte er nach der Matura nach Bremen zu Prof. Christian Hommel und schließlich für ein Semester nach Rostock zu Prof. Gregor Witt. Gustav ist Preisträger mehrerer Jugend- Musikwettbewerbe und war Teilnehmer bei Kammermusikakademien der Wiener Philharmoniker. Nach dem Zivildienst in Wien und Studium an der Universität St. Gallen arbeitet er derzeit als Berater für den öffentlichen Dienst.


Miriam Hettinger

Miriam Hettinger, 1994 in Künzelsau geboren, begann im Alter von 10 Jahren Klarinette zu spielen. Sie studiert Schulmusik (Klarinette) an der Hochschule für Musik Karlsruhe bei Prof. Georg Arzberger, Leonie Gerlach und Prof. Wolfgang Meyer. Im Rahmen des Studiums nahm sie an Meisterkursen bei Sabine Meyer, Reiner Wehle, Jonathan Russell (Bassklarinette), Shirley Brill und Joy Farrall teil. Ihr Interesse gilt insbesondere der Kammermusik und dem Orchesterspiel. Sie ist Mitglied des Schulmusikorchesters der Hochschule für Musik Karlsruhe und des Bundesschulmusikorchesters. Weitere Impulse erhielt sie durch die Kammermusikkurse für Junge Instrumentalisten der Jeunesse Musicales Deutschland.
Seit 2012 ist sie als Dozentin für Klarinette bei verschiedenen Musikvereinen und Musikschulen tätig. Zusammen mit dem Studiengang Musikpädagogik (Hochschule für Musik Karlsruhe) gestaltet sie Kinderkonzerte in Kooperation mit dem Festspielhaus Baden-Baden, den Schlosskonzerten Bad Krozingen, u.a.


Rosalie Suys

Rosalie Suys, geb. 1992, stammt aus einer Musikerfamilie. Über die Blockflöte und das Cello kam sie mit dreizehn Jahren zum Fagott. Bis zu ihrem Studium hatte sie Unterricht bei ihrer Mutter Anette Pulheim-Suys und später bei Karl Ventulett (Oper Frankfurt). Von Beginn des Wintersemesters 2011/12 an studierte sie ihr Instrument erst an der HfMDK Frankfurt bei Professor Henrik Rabien, wechselte dann 2013 nach Darmstadt an die Akademie für Tonkunst in die Klasse von Matthias Müller und anschließend zu Professor David Tomàs-Realp an die Musikhochschule Karlsruhe.
Rosalie Suys war Preisträgerin des Wettbewerbs Jugend Musiziert, Mitglied des Landesjugendsinfonieorchesters Hessen und wirkte an Konzerten der Frankfurter Kapelle, der Kammerphilharmonie Bad Nauheim und an Vorstellungen des Staatstheater Darmstadt und der Kammeroper Frankfurt mit. Mit dem Kammerorchester „Frankfurter Solisten“ trat sie bereits im Oktober 2012 als Solistin mit einem Konzert von Antonio Vivaldi sowie im Juni 2015 mit der Sonatine von Alexandre Tansman auf.
Rosalie Suys ist Mitbegründerin des Jungen Kollektivs MusikTheater und studiert zurzeit im Master Musikwissenschaft an der Musikhochschule Karlsruhe.

 

Jakob Glatzel

Jakob Glatzel, geboren 1994, erhielt seinen ersten Hornunterricht im Alter von 8 Jahren bei Endre Toth und wechselte später nach Karlsruhe zu Peter Bühl. Wichtige Impulse erhielt er von Christoph Eß, Thomas Hauschild und Will Sanders. Neben kammermusikalischen solistischen Auftritten ist Jakob in unterschiedlichen Orchestern aktiv, wie beispielsweise der Jungen Philharmonie Karlsruhe oder dem Jungen Ensemble Berlin.

 

Tobias Drewelius

Tobias Drewelius, geboren 1989, begann im Alter von vier Jahren mit dem Klavierspiel und erlernte während seiner Schulzeit zusätzlich Violine, Viola, Klarinette und Orgel. 2005 wurde er als Jungstudent im Fach Klavier an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf aufgenommen. Nach dem Abitur studierte er dort zunächst Komposition bei Manfred Trojahn, dann an der Hochschule für Musik Karlsruhe Musiktheorie bei Uwe Kremp, seit 2012 zusätzlich Orchesterdirigieren bei Andreas Weiss.
Seine Studien ergänzte er durch verschiedene Meisterkurse und Workshops, etwa mit Paul Gulda, Jörg Widmann und Helmut Lachenmann, darüber hinaus durch Projekte mit u.a. der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, dem Stuttgarter Kammerorchester und der Württembergischen Philharmonie Reutlingen sowie durch die musikalische Leitung zweier Kinderopern. Außerdem gingen aus der engen Kooperation mit der Kompositionsklasse von Wolfgang Rihm einige Uraufführungen hervor. Konzertreisen führten ihn nach China, Japan, Brasilien und Südafrika. Die musikalische Arbeit mit verschiedenen Ensembles von Renaissance bis zu zeitgenössischem Repertoire runden seine dirigentischen Aktivitäten ab. Daneben ist er als Kammermusiker, Begleiter und Arrangeur tätig.
Momentan studiert er bei Johannes Menke und Florian Vogt im Masterstudiengang Theorie der Alten Musik an der Schola Cantorum Basiliensis, Basel und hat einen Lehrauftrag für Musiktheorie an der Hochschule für Musik Karlsruhe inne. Ab 2019 wird er die Leitung des Sinfonieorchesters des KIT übernehmen.
Er erhielt Stipendien von e.on und DAAD, ist Stipendiat des Internationalen Richard Wagner-Verbands und der Studienstiftung des deutschen Volkes.