Mozart im historischen Gewand

Im Konzert spielte Ingo Hoesch die Klaviersonate C-Dur KV 330 (300h). Diese Sonate erklang auf dem Hammerflügel in 430Hz, was ungefähr ein Halbton tiefer als der heutige Kammerton ist. Die Sonate hat drei Sätze: Allegro moderato – Andante cantabile – Allegretto. Sie wurde wahrscheinlich 1778 in Paris komponiert. Sie zeigt in ihren klaren Strukturen und perfekten Proportionen, wie eine Sonatenhauptsatz aufgebaut und umgesetzt wird. So könnte sie als „Lehrstück“ für den Kompositionsunterricht gedacht sein, oder aber für die „Hausmusik“. Die beiden schnellen Sätze sind fröhlich und beschwingt, eine Coda im Schlusssatz verlängert den musikalischen Spaß, während der Mittelsatz (F-Dur/f-Moll) eine hohe Emotionalität auf engsten Raum und eine enorme Ausdrucksstärke bietet.
In der Gegenüberstellung von Cembalo, Hammerflügel (430Hz) und Konzertflügel erklangen einige Stücke aus dem „Notenbuch für Nannerl“. Dies waren die Menuette in F-Dur, C-Dur und D-Dur. Die meisten Stücke hat Leopold notiert, da Mozart selber die Notenschrift noch nicht beherrschte. Interessant ist, das bis auf das Menuett in C diese keine Trios haben.
Das Notenbüchlein fürs „Nannerl“ umfasst die Kompositionen KV 1-73 – es sind vor allem Tänze (Menuette), aber auch Sonatensätze und andere Spielstücke.
Ebenso erklangen Werke aus Mozarts „Londoner Skizzenbuch“ (KV 15 und KV Anh. 109). Auch diese kleinen musikalischen „Ideen“ Mozarts interpretierte Hoesch sowohl auf Cembalo / Hammerflügel und modernem Konzertflügel.
Zwei Versetten (KV 154) bot Hoesch mit dem Klang eines Prinzipals 8´einer Truhenorgel dar. Diese Form der Musik (kleine, kurze Fugen) wurden alternierend zum Gesang eines Psalmes, Te Deum oder Magnificat intoniert, wenn dieser von einer Schola gesungen wurde, abwechselnd mit dem Gesang. Beide Stücke, das erste in G-Dur, das zweite in D-Dur, sind nur um die 16 Takte lang. Ob diese Stücklein wirklich von Mozart sind, oder nur von ihm kopiert, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden – ein Grund dafür ist u. a. die Kürze der Stücke.
Nach diesen kleinen und kurzen Stücken Mozarts wendete sich Hoesch wieder den größeren Formen zu.
Dies tat er in Gegenüberstellung des Hammerflügels (430 Hz) mit dem Konzertflügel (442 Hz) anhand der „Phantasie in d-Moll“, KV 397. Diese ist sicherlich neben dem „Türkischen Marsch“, der „Sonata facile“ (C-Dur) eines der Klavierwerke, durch dass sich (fast) jeder Klavierschüler gequält hat.
Mozart hat noch eine weitere große Klavierphantasie in c-Moll geschrieben und eine, ebenfalls in c-Moll, die aber einer Klaviersonate in c-Moll vorangestellt ist.
In seinen Phantasien erleben wir Mozart von einer sehr emotionalen, empathischen Seite. Die d-Moll Phantasie entsteigt gebrochenen Akkorden aus der Tiefe (d-Moll), bietet viele beseelte Pausen, herzzerrreissende Lamento-Abschnitte, dramatische Ausbrüche. Eine Seelenlandschaft, die tiefe Zerrissenheit und Verzweiflung wiederspiegelt – und doch endet das Stück mit einem fröhlichen D-Dur Teil. Ob Mozart hier seine eigene Verfassung wiedergibt – er hatte immer wieder mit nicht unerheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen – hatte nicht immer eine gute und sichere Anstellung, war viel unterwegs….
Dieses Stück bekommt durch den etwas knarzigen und verhaltenen Klang des Hammerflügels eine neue, ungeahnte Durchhörbarkeit und Klarheit, die am heutigen Konzertflügel durch zu vielen Gebrauch des Haltepedals oft verwaschen und unklar herüberkommt.
Das Konzert endete mit dem herrlichen Rondo in A-Dur, KV 485, eine Petitesse voller Fröhlichkeit, voller Freude und voller Überraschungen, den die Tonart des musikalischen Motivs ist immer im Wandel. Und die größte Überraschung ist vielleicht der Schluss – nicht wie so oft ein jubelnder, aufbrausender Schluss, sondern ein verklingen, ein ausruhen, wie nach einer erlebnisreichen Reise oder Gesellschaft… So endete der Abend nicht im „forte“ oder „Fortissimo“, sondern im „Pianissimo“ des Hammerflügels.
Das Publikum des Konzertes war so zahlreich erschienen, dass der Raum an seine Grenzen kam und noch Stühle nachgestellt werden mussten.
Ein Abend, der nicht nur dem Publikum, sondern auch dem Musiker Spaß gemacht hat und die Güte und Qualität auch digitaler Instrumente aufgezeigt hat. Das Publikum bedankte sich mit langanhaltendem Applaus – auch für die informative und launige Moderation durch den Musiker Hoesch. Und es äußerte den Wunsch, das weitere Konzerte diesem ersten Abend folgen.

KV 397, Phantasie in d-Moll
Solist: Ingo Hoesch
Aufnahme am 29. Januar 2023 im Pfarrheim St. Peter und Paul, Aldekerk

KV 397, Phantasie in d-Moll, Hammerflügel II
KV 397, Phantasie in d-Moll, Konzertflügel



KV 397 Schloss Waldenburg

Daß „ein Clavieriste durch Fantasien … das Sprechende, das hurtig Ueberraschende von einem Affeckte zum andern, alleine vorzüglich vor den übrigen Ton-Künstlern ausüben kann“, war eine Maxime des Bach-Sohnes, die nicht nur Mozart befolgte. Jeder Pianist mußte sich im Rahmen der Akademien, der Abonnementskonzerte der damaligen Zeit, mit Improvisationen hören lassen, sei es mit Variationen über bekannte Themen, sei es mit „freyen Fantasien“, die keinem Formschema folgten.
Diese Fantasien waren der eigentliche Höhepunkt eines Konzerts, gerade im Falle Mozarts, der mit seinen bis zu halbstündigen Improvisationen die „Empfindungen“ der Zuhörer in weit stärkerem Maße zu wecken vermochte, als mit seinen oft nur als Unterhaltung rezipierten Klavierkonzerten. Leider hat Mozart nur zwei seiner Fantasien notiert und nur eine vollständig zum Druck gegeben. Dadurch ist uns ein wesentlicher Teil seines Gedankenreichtums vorenthalten worden. Einen gewissen Ausgleich bilden jene Sätze in seinen Klaviersonaten, in die die Expressivität, aber auch die Stilmittel des freien Fantasierens eingeflossen sind, wie etwa das Adagio der c-Moll-Klaviersonate mit seinen wie improvisiert wirkenden Verzierungen oder das Finale derselben Sonate mit seinem agitato-Duktus, der von Fermaten unterbrochen wird.
Fantasie d-Moll, KV 397: Die d-Moll-Fantasie ist nur deshalb die kleinere der beiden erhaltenen Klavierfantasien Mozarts, weil dieser die Niederschrift nach Takt 97 abbrach. Die von einem Zeitgenossen angehängten 10 Schlußtakte sind, gemessen an der Bedeutung des Vorhergehenden, zu knapp geraten. Mozart hätte das D-Dur-Allegretto, das den klagenden Ton der d-Moll-Teile mehrmals unterbicht, wahrscheinlich weiter ausgeführt, vielleicht sogar einen neuen Kontrastteil eingefügt und eine Reprise des Anfangs wie in der c-Moll-Fantasie. Für das „hurtig Ueberraschende von einem Affeckte zum anderen“, das C. P. E. Bach beschrieb, ist diese Fantasie ein sehr gutes Beispiel.
Bedenkt man, wie großartig Mozart improvisiert hat und wie wichtig sein Fantasieren für die damaligen Zuhörer war, so muss man umso mehr bedauern, wie wenig er davon aufgeschrieben hat. Nur zwei oder drei Klavierfantasien sind auf uns gekommen, darunter die schöne d-Moll-Fantasie, die leider Fragment blieb. Mozarts Freund Abbé Stadler hat sie nach seinem Tod vollendet – stilvoll, aber zu kurz. Denn auf die Bruchstelle im D-Dur-Teil hätte Mozart zweifellos noch mehrere kontrastierende Abschnitte folgen lassen. So hört man nach der freien Einleitung aus gebrochenen Akkorden das schöne, traurige d-Moll-Thema, einen wilden Ausbruch und den zu knappen D-Dur-Schluss.
Quelle: www.kammermusikfuehrer.de/werke/1269



KV 397, Fantasie für Klavier d-Moll
Solist: Ruben Sterland (Klavier)
Aufnahme am 19. Mai 2019 in Schloss Waldenburg

KV 397, Fantasie für Klavier d-Moll



KV 397 Kammerspiele Ansbach

Mozarts Empfindungen, das Motto des heutigen Abends, ist einer Fantasie des Hamburger Bach mit dem autobiographischen Titel C. P. E. Bachs Empfindungen entlehnt. Es soll auf einen für die Ästhetik der Empfindsamkeit charakteristischen Zusammenhang hinweisen: die Verbindung zwischen der Gattung der Klavierfantasie als Ausdruck der persönlichsten Empfindungen eines Komponisten und dem Klang des Hammerflügels mit seinen dynamischen und klanglichen Schattierungsmöglichkeiten.

Daß “ ein Clavieriste durch Fantasien … das Sprechende, das hurtig Ueberraschende von einem Affeckte zum andern, alleine vorzüglich vor den übrigen Ton-Künstlern ausüben kann”, war eine Maxime des Bach-Sohnes, die nicht nur Mozart befolgte. Jeder Pianist mußte sich im Rahmen der Akademien, der Abonnementskonzerte der damaligen Zeit, mit Improvisationen hören lassen, sei es mit Variationen über bekannte Themen, sei es mit “freyen Fantasien”, die keinem Formschema folgten.

Diese Fantasien waren der eigentliche Höhepunkt eines Konzerts, gerade im Falle Mozarts, der mit seinen bis zu halbstündigen Improvisationen die “Empfindungen” der Zuhörer in weit stärkerem Maße zu wecken vermochte, als mit seinen oft nur als Unterhaltung rezipierten Klavierkonzerten. Leider hat Mozart nur zwei seiner Fantasien notiert und nur eine vollständig zum Druck gegeben. Dadurch ist uns ein wesentlicher Teil seines Gedankenreichtums vorenthalten worden. Einen gewissen Ausgleich bilden jene Sätze in seinen Klaviersonaten, in die die Expressivität, aber auch die Stilmittel des freien Fantasierens eingeflossen sind, wie etwa das Adagio der c-Moll-Klaviersonate mit seinen wie improvisiert wirkenden Verzierungen oder das Finale derselben Sonate mit seinem agitato-Duktus, der von Fermaten unterbrochen wird.

Fantasie d-Moll, KV 397: Die d-Moll-Fantasie ist nur deshalb die kleinere der beiden erhaltenen Klavierfantasien Mozarts, weil dieser die Niederschrift nach Takt 97 abbrach. Die von einem Zeitgenossen angehängten 10 Schlußtakte sind, gemessen an der Bedeutung des Vorhergehenden, zu knapp geraten. Mozart hätte das D-Dur-Allegretto, das den klagenden Ton der d-Moll-Teile mehrmals unterbicht, wahrscheinlich weiter ausgeführt, vielleicht sogar einen neuen Kontrastteil eingefügt und eine Reprise des Anfangs wie in der c-Moll-Fantasie. Für das “hurtig Ueberraschende von einem Affeckte zum anderen”, das C. P. E. Bach beschrieb, ist diese Fantasie ein sehr gutes Beispiel.

Quelle: www.kammermusikfuehrer.de



KV 397, Klavierfantasie D-Dur
Solist: Bohumir Stehlik (Klavier)
Aufnahme am 13. Mai 2015 im Rahmen des Klassikfestivals d'accord in Ansbach (Kammerspiele)

KV 397, Klavierfantasie D-Dur