KV 504 Wohnstift Augustinum

Zu Mozarts umfangreichem Schaffen gehören 41 Symphonien - mindestens, denn eine genaue Zählung ist aufgrund von Überschneidungen mit anderen Werkgattungen nicht einfach. Die meisten Symphonien stammen aus der Zeit, als sich Mozart in Diensten des Salzburger Erzbischofs befand. Als freischaffender Musiker in Wien interessierte ihn diese Gattung nur noch sporadisch, und er konzentrierte er sich dagegen vor allem auf das Komponieren von Klavierkonzerten und Opern. Zwischen 1782 und 1786 entstanden lediglich drei Symphonien, die unter den Beinamen „Haffner“, „Linzer“ und „Prager“ bekannt und berühmt geworden sind. Danach folgten im Sommer 1788 Mozarts die drei letzten Symphonien Nr. 39 bis 41, die den Höhepunkt der klassischen Symphonie überhaupt bezeichnen.
1785 und 1786 (dem produktivsten Jahr in seinem Leben) schrieb Mozart seine berühmte Lustspiel-Oper „Le nozze di Figaro“ („Figaros Hochzeit“), die als eines der vollendetsten Kunstwerke der deutschen Klassik gilt. Nach der (eher durchwachsenen) Uraufführung am 1. Mai 1786 im Wiener Hofoperntheater und weiteren (dann äußerst erfolgreichen) Folgeaufführungen sollte das Werk nun auch in Böhmen vorgestellt werden, und so machte sich Mozart im Januar 1787 auf die Reise nach Prag. Dabei hatte er auch eine neue Symphonie im Gepäck, die für ein Konzert (damals „Akademie“ genannt) im Theater vorgesehen war. Das Finale dieser sogenannten „Prager“ Symphonie hatte Mozart bereits im Frühjahr 1786, also zeitgleich mit dem „Figaro“, komponiert, und so verwundert es nicht, dass die Werke in Stimmung und Gehalt gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Die beiden anderen Sätze, die kurz vor der Abreise im Dezember 1786 entstanden sind, weisen in ihrer monumentalen Größe und Erhabenheit bereits auf die 1787 folgende dramatische Oper „Don Giovanni“ (die ebenfalls eng mit Prag verbunden ist) hin. Die auffälligste Eigenschaft der Symphonie ist ihre Dreisätzigkeit. Über Mozarts Gründe, auf ein Menuett zwischen dem langsamen Satz und dem Finale zu verzichten, wurde lange Zeit vergeblich spekuliert. Klar ist aber, dass es der Symphonie an nichts mangelt und sie in ihrer Vollkommenheit den Vergleich zu den letzten drei großen Symphonien nicht zu scheuen braucht. Die Uraufführung fand am 19. Januar 1787 unter Mozarts Leitung statt und wurde ein voller Erfolg. Von einem zeitgenössischen Biographen erfahren wir später (1798): „Die Sinfonien, die er für diese Gelegenheit setzte, sind wahre Meisterstücke des Instrumentalsatzes, voll überraschender Uebergänge und haben so einen raschen, feurigen Gang, so, daß sie alsogleich die Seele zur Erwartung irgend etwas Erhabenem stimmen. Dieß gilt besonders von der Sinfonie in D-Dur, die noch immer ein Lieblingsstück des Prager Publikums ist, obschon sie wohl hundertmal gehört ward.“

Text: Frank Christian Aranowski

KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur „Prager“
Orchester: Oekumenische Philharmonie
Leitung: Frank Christian Aranowski
Aufnahme am 30. Juli 2023 im Theatersaal des Wohnstift Augustinum Heidelberg

KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur „Prager“
KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur „Prager“, Adagio - Allegro
KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur „Prager“, Andante
KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur „Prager“, Presto



KV 504 Musikhochschule Aachen

Alle Musiker sind sich darin einig, dass Mozart in seiner Prager Sinfonie schon die Don Giovanni-Atmosphäre (u.a. die Adagio-Einleitung) wiedergibt. Das Allegro-Hauptthema ist dem der Don-Giovanni-Ouverüre ähnlich: Der Duktus der Sinfonie ist dramatisch-opernmäßig, die Gestik elegant und unbändig. Das Presto-Finale hat die Rasanz von Giovannis Champagnerarie.

KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur (Prager Sinfonie)
Solisten: Alina Wesselowski (Klavier), Dimitri Wesselowski (Klavier)
Aufnahme an 8. Juli 2023 in der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Aachen

KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur
KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur, Adagio - Allegro
KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur, Andante
KV 504, Sinfonie Nr. 38 D-Dur, Finale Presto



KV 504 Chemnitz Kreuzkirche

W.A. Mozart Sinfonie D-Dur KV 504

„Sie wissen, dass ich so zu sagen in der Musique stecke – daß ich den ganzen Tag damit umgehe – daß ich gern speculiere – studiere – überlege“, erinnerte Mozart den Vater an seine „Lebensart“ schon 1778, als er aus Paris grüßte. Zu seinen Neuerungen jener Zeit zählt die langsame Einleitung. Auch mit Blick auf ihre harmonischen Ausschreitungen wirken diese Eröffnungen gewichtig. Werken wie der späten Sinfonie Es-Dur und der Ouvertüre zu „Don Giovanni“ haben diese Anfänge zu bislang unerreichter Expressivität verholfen. Eine Adagio-Einleitung ist auch der „Prager Sinfonie“ KV 504 vorangestellt. Der großformatige Beginn fügt sich durchaus in die Proportionen von Mozarts anspruchsvoll konzipiertem Werk. Es ist seine 38., viertletzte Sinfonie und die erste, die er in seinem seit 1784 eigenhändig geführten thematischen „Verzeichnüß“ eintrug. Dort ist sie auf den 6. Dezember 1786 datiert. Vermutlich entstand die dreisätzige Komposition ohne Menuett (die Nachwelt rätselt, warum) mit Blick auf Wiener Advents-Akademien.

Bald aber ergab sich jene Aufführungsgelegenheit, der die Sinfonie D-Dur ihren Beinamen verdankt: Am 19. Januar 1787 erklang sie mit großem Erfolg in einer Akademie im Gräflich Nostitzschen National-Theater zu Prag, zwei Tage nach dem dortigen „Figaro“-Erfolg. Am 12. Mai 1789, während seines Leipzig-Besuchs, mietete Mozart das Gewandhaus: „... das viele bitten meiner Freunde bewog mich leiptzig ... nicht zu affrontiren, sondern dienstags den 12:ten eine Academie zu geben“, schrieb Mozart seiner Frau Konstanze über den gefeierten, finanziell jedoch erfolglosen Abend. Neben Klavierkonzerten leitet Mozart die „Prager“, an der sich die Begeisterung Leipzigs für Mozart-Sinfonien im 19. Jahrhundert sehr gut ablesen lässt. Sie war weit größer als in Wien und wurde nur von London übertroffen.

Opernnähe wird der „Prager Sinfonie“ seither nachgesagt – nicht nur wegen des äußeren Anlasses oder der langsamen Einleitung. Äußerst differenziert behandelt Mozart die Holzbläser, als gelte es auch hier, feine klingende Charakterstudien zu bieten. Oder blicken wir auf den huschenden Einsatz des Finales: Dieser erinnert an den Beginn der „Figaro“-Ouvertüre, mehr noch an das Duettino „Aprite presto aprite“ im zweiten Akt der Oper, wo sich der in eine Intrige verwickelte Cherubino entschließt, sich mit einem Sprung aus dem Fenster in Sicherheit zu bringen.

KV 504, Sinfonie D-Dur (Prager Sinfonie)
Orchester: Netzwerkorchester V
Leitung: Domonkos Héja
Aufnahme in der Kreuzkirche Chemnitz am 4. Mai 2013
KV 504, Sinfonie D-Dur
KV 504, Sinfonie D-Dur, Adagio - Allegro
KV 504, Sinfonie D-Dur, Andante
KV 504, Sinfonie D-Dur, Finale Presto