KV 491 Zeughaus Neuss

Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491 entstand 1786 parallel zur Komposition des Figaro. Es bildet den Abschluss des großartigen Klavierkonzertoeuvres und ragt in vielfacher Hinsicht aus diesem hinaus: Erstens steht es neben dem Konzert d-Moll KV 466 als einziges in einer Molltonart, hat zweitens als einziges einen Kopfsatz im Dreivierteltakt, drittens als eines von wenigen einen Variationensatz als Finale und ist viertens das am größten besetzte Instrumentalwerk Mozarts überhaupt. Schließlich zeigt sich in diesem Konzert eine Tendenz, die Mozart deutlich als Wegbereiter der Romantik zeigt: der zyklische Gedanke, der die drei Sätze zu einem sinnvollen Ganzen fügt, das jedoch noch ohne eine motivisch-thematische Verzahnung eines Beethoven oder Liszt auskommt. Man wird Mozart natürlich mit irgendwelchen aufgezwungenen Programmen nicht gerecht, und doch scheint es mir nicht illegitim, die immense Wirkung auf nachfolgende Musikergenerationen in dem zu suchen, was seit Beethoven das Selbstverständnis des Komponisten geprägt hat und immer noch prägt: Musik als einzigartiger Ausdruck einer einzigartigen Persönlichkeit. Mozart macht hier das Klavier zur Stimme des Individuums, seines Ringens mit der Welt, seiner Verstrickungen im Guten wie im Bösen. Das Soloinstrument als Persönlichkeit und Protagonist. Hierdurch wirkt er prägend auf die große Instrumentalmusik des 19. und 20. Jahrhunderts, auf Schubert, Mahler usw. . Das hört man schon der großangelegten Orchesterexposition des ersten Satzes an, deren Aufwallungen und bohrender Chromatik das Soloklavier mit einer beinahe unbegleiteten traurigen Geste sich gewissermaßen nackt und ungeschützt entgegenstellt, um im Laufe des Satzes über die vier bzw. fünf Hauptgedanken des Satzes in Dialog zu treten, und das in den Strudel gerät und versucht, einigermaßen heil davonzukommen. Dabei ist es auffällig und für Mozarts grundsätzlich ja eher optimistischen Charakter bezeichnend, dass die solistisch dominierten Passagen meist oder zumindest häufiger in Durkadenzen enden, während die Orchestertutti letztlich in diesem ersten Satz meist den Weg in düsterere Gefilde einschlagen und für den resignativen Schluss des Satzes verantwortlich sind. Zwischen diesem und dem teilweise düsteren Schlusssatz steht der mitunter ostentativ-naive Mittelsatz mit seinem an Schlichtheit kaum zu überbietenden Hauptthema. Im Kontext der Ecksätze erlebt man eine heile Welt, die beinahe zu schön ist, um wahr zu sein. Und in der Tat: Anders als im Mollkonzert KV 466 haftet dem Satz bereits etwas Zitathaftes an, ist weniger Ermutigung als Erinnerung. Mit minimalen Mitteln wird angedeutet, was in der Romantik zum festen Bestandteil wird und in der Posthornepisode der 3. Sinfonie von Gustav Mahler seinen Höhepunkt findet: die Darstellung einer idealen Gegenwelt. Dass diese eher in der Vergangenheit liegt als in einer utopischen Zukunft, deuten die fast plakativ simple Achtelbegleitung, die primitive Kadenzharmonik, die schlichte Dreiklangsmelodik des Nachsatzes und der kleine Sechzehntelschlenker am Ende des Vordersatzes an, der schon in Mozarts Zeit archaisch und überholt gewirkt haben muss. Nach diesem Idyll wirkt sowohl die Variationenform als auch das marschmäßig-verhangene Thema selbst umso unerbittlicher. Mit schönster Symmetrie greift es die Marschanleihen des verklingenden Kopfsatzes auf und, als sei der Mittelsatz gar nicht gewesen, macht es weiter in dem düsteren Treiben. Und auch wenn der Tonfall nicht ins dramatisch Exaltierte kippt, so ist doch die relativ strengere Variationenform fast noch beklemmender in ihrer Unausweichlichkeit. Zwar versuchen Klavier und Orchester durch Nebenthemen, Umdeutungen und Aufhellungen des Materials dem Unvermeidlichen zu entkommen, aber eine Lösung im Sinne des per-aspera-ad-astra-Prinzips bleibt Beethoven in seinem dritten Klavierkonzert vorbehalten. Wo Beethoven ein furioses Finale durch den Wechsel nach C-Dur und in den 6/8-Takt schafft, bedeutet bei Mozart der Wechsel in den 6/8-Takt bei gleichzeitiger Rückkehr nach c-Moll eine letzte Eskalation, eine letzte Atemlosigkeit vor dem finalen Versinken.
Text: Michael Köhne


KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll
Orchester: Neusser Kammerorchester
Solisten: Sandra Urba (Klavier)
Leitung: Joachim Neugart
Aufnahme am 1. Dezember 2019 im Zeughaus Neuss

KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll
KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, Allegro
KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, Larghetto
KV 491, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, Allegretto

KV 491 Langenfeld Erlöserkirche

Das c-moll-Klavierkonzert, KV 491 hat Mozart als Dreißigjähriger komponiert. Es wurde am 7.April 1786 in Wien uraufgeführt. Im Jahr 1786 hat Mozart insgesamt drei Klavierkonzerte komponiert. Dieses Klavierkonzert gehört zu den großen Moll-Werken des späten Mozart. Es verlässt in Charakter und Form vielleicht am stärksten die konventionellen Bahnen des 18. Jahrhunderts. Diktiert ist es von dunkler tragischer Erfahrung, viel an rastloser Bewegung ist herauszuhören.
Dieses Mozartsche Klavierkonzert spricht aller Konvention Hohn. Es wäre sicherlich spannend zu erfahren, was die Hörerinnen und Hörer der Uraufführung angesichts der düsteren symphonischen Stimmung und bedrückenden Atmosphäre, die aus ihm herausklingt, empfunden haben.
Das Klavier-Konzert KV 491 bedient sich der größten Orchesterbesetzung, die Mozart je in einem Konzert beanspruchte. Aller Reichtum der Modulatorik verweist immer wieder auf die düstere Grundtonart, und der lyrische Mittelsatz wirkt fast episodisch inmitten dieser Grundstimmung, die dann aber das Finale wieder aufnimmt.
Dieser Schluss widersetzt sich dann vollends der konventionellen Erwartungshaltung, die die Hörerinnen und Hörer nicht nur zu Mozarts Zeit an ein Klavierkonzert knüpften.
Text: Volker Raettig

KV 491, Klavier-Konzert Nr. 24 c-moll
Orchester: Prager Philharmoniker KSO
Solisten: Jin-Hee Kim (Klavier)
Leitung: Eunkyung Changkim
Live-Mitschnitt vom Konzert in der Erlöserkirche Langenfeld Hardt am 27.02.2005
KV 491, Klavier-Konzert Nr. 24 c-moll
KV 491, Klavier-Konzert Nr. 24 c-moll, Allegro
KV 491, Klavier-Konzert Nr. 24 c-moll, Larghetto
KV 491, Klavier-Konzert Nr. 24 c-moll, Allegretto