KV 452 Haus des Gastes Erzhammer

Im „Persönlichen Verzeichnis meiner Werke“ datierte Mozart das Klavierquintett Es-Dur auf den 30. März 1784, somit steht es zwischen den Opern „Die Entführung aus dem Serail“, „Die Hochzeit des Figaro“ und einigen Klavier- konzerten, deren Stil sicherlich auf dieses Werk abfärbte. Mozart hielt das Quintett für eines seiner besten Werke, zudem war es auch in der Besetzung eine Premiere: ein derartiges Werk war, abgesehen von den üblichen und oft bearbeiteten Divertissements verschiedener Komponisten, zuvor noch nie für Klavier und Blasinstrumente komponiert worden. Und ein Bläserquintett im heutigen Sinne der Besetzung war in Wien auch noch nicht üblich, da man in den Ensembles die Flöte noch nicht einbezogen hatte.

Wichtig erscheint zu bemerken, dass die Quintette mit Blasinstrumenten – Mozart schrieb in dieser Zeit auch noch das Hornquintett KV 407 – keinesfalls der Unterhaltungsmusik zugeordnet werden können, aber auch nicht das geistige Exerzitium etwa der sechs Haydn gewidmeten Streichquartette verfolgen. Sie stehen in dem für Mozart in künstlerischer Hinsicht auch bedeutsamen Wendejahr 1784 für eine Erprobung einer neuartigen Kammermusik, die Leichtigkeit und Anspruch verbindet und Traditionen der Serenade und der „Concertante“ wie selbstverständlich in einem neuen Werk verschmilzt.

Eine Largo-Einleitung eröffnet im Quintett KV 452 den ersten Satz, danach startet das Klavier allein mit dem Hauptsatz des „Allegro Moderato“, während im zweiten Thema Klavier und Bläser abwechseln. Mozarts Kompositionskunst, für die fünf heterogenen Instrumente immer neue, überzeugende Klangkombi- nationen zu finden, scheint zu bestätigen, dass er diesem Stück beim Schreiben besondere Wertschätzung zueignete.
Das Larghetto an zweiter Stelle scheint in seinem Reichtum der Gedanken beinahe frühromantisch empfunden zu sein und verwendet die Harmoniemusik wörtlich – Nicole Schwindt bezeichnet den Satz als das „Gravitationszentrum“ des ganzen Werkes. Hingegen ist das Schlussrondo deutlich virtuoser für das Klavier komponiert, das hier zu konzertieren scheint – als Gegenstück dafür erhalten die Bläser am Ende eine imitatorische Kadenz und der Charakter erscheint nur auf den ersten Blick als trivialer Kehraus, der Satz ist in seinen Details komplex gearbeitet und untersucht noch einmal die eigentlich disparaten Klangmöglichkeiten der Blasinstrumente zusammenzubringen.

Text: Alexander Keuk


KV 452, Quintett für Klavier & Bläser E-Dur
Orchester: Gewandhausbläserquintett Leipzig
Solist: Alexander Meinel (Klavier)
Aufnahme am 8. Oktober 2020 im Haus des Gastes Erzhammer, Annaberg-Buchholz

KV 452, Quintett für Klavier & Bläser E-Dur
KV 452, Quintett für Klavier & Bläser E-Dur, Largo - Allegro moderato
KV 452, Quintett für Klavier & Bläser E-Dur, Larghetto
KV 452, Quintett für Klavier & Bläser E-Dur, Allegretto



KV 452 Stephanssaal Karlsruhe

Das Quintett für Oboe, Klarinette, Fagott, Horn und Klavier Es-Dur KV 452 scheint Wolfgang Amadeus Mozart besonders am Herzen gelegen zu haben: In einem Brief an seinen Vater schreibt er, es sei „das beste was ich noch in meinem Leben geschrieben“ und auch die mit ihm spielenden Musiker, Solobläser der Hofkapelle Kaiser Josephs II., bedenkt er mit großem Lob, hat er ihnen die überaus anspruchsvollen Parts doch auf den Leib geschrieben.
Woraus nährt dieses Quintett seine Besonderheit? Vielleicht ist es auch hier ein mehrfacher Spagat, zunächst einmal ein formaler: einige Passagen klingen kammermusikalisch intim, andere behandeln das Klavier wie ein konzertierendes Soloinstrument, wieder andere haben die Raffinesse eines Opernfinales mit virtuosen Rollenwechseln. Außerdem wählt Mozart die klassische dreisätzige Konzertform mit langsamem Mittelsatz anstelle der viersätzigen sinfonischen Form, im eher galanten statt spritzigen Finale taucht eine Kadenz auf, die allerdings nicht vom Klavier, sondern von den Bläsern bestritten wird. Die langsame Einleitung wiederum scheint eher einer Sinfonie entnommen zu sein.
Einen weiteren Ausgleich sucht (und findet) Mozart zwischen kecken Spielfiguren und einem immer kantablen Grundgestus, der einige seiner bis dahin schönsten melodischen Erfindungen beinhaltet – insbesondere im Larghetto, wo einige Phrasen bis in die Romantik vorauszugreifen scheinen. Die letzte herzustellende Balance ist die zwischen den Instrumenten. Die Besetzung mit vier Bläsern und Klavier ist zu Mozarts Zeiten singulär, und es gibt auch nach seinem Tod nur sehr wenige Nachahmerwerke. Die Instrumentenzusammenstellung ist sehr empfindlich und verlangt vom Komponisten viel Klangsinn und Gespür für Registerfarben und dynamische Möglichkeiten. Mozart vergrößert diese Herausforderung noch durch einen dichten Satz, oft im doppelten oder mehrfachen Kontrapunkt, der ihm maximal viele Möglichkeiten für Stimmentausch und Rekombination bietet. Tatsächlich ist dieses Quintett eines der ganz wenigen Stücke Mozarts, von dem man Skizzen und Versuche im Particell kennt, die allermeisten schrieb er mit einer erstaunlich geringen Anzahl von Korrekturen oder auch nur dem Anschein eines Arbeitsprozesses einfach nieder. Seine Zufriedenheit mit dem Ergebnis dürfte also auch eine Zufriedenheit sein, diese anspruchsvolle Aufgabe gemeistert zu haben – und das auf eine Art und Weise, die den Zuhörern trotzdem vollkommene Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit suggeriert.


KV 452, Klavierquintett Es-Dur
Solisten: Gustav Berger (Oboe), Miriam Hettinger (Klarinette), Rosalie Suys (Fagott), Jakob Glatzel (Horn), Tobias Drewelius (Klavier)
Aufnahme am 4. November 2018 im Stephanssaal Karlsruhe

KV 452, Klavierquintett Es-Dur
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Largo - Allegro moderato
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Larghetto
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Allegretto




KV 452 Büroland GmbH, Chemnitz

Das Quintett KV 452 entstand im März 1784. Die Jahre von 1784 bis 1788 markieren eine Phase intensiver kompositorischer Aktivität Wolfgang Amadé Mozarts, vielleicht die geschäftigsten und erfolgreichsten Jahre seines Lebens. Seine Musik war in Wien populär wie nie, er spielte fast täglich Konzerte - und musste entsprechend viel komponieren, schließlich wollte sein Publikum von ihm auch neue Stücke hören. Zudem war Mozart in Wien ein gefragter Klavierlehrer und trat fast täglich als Pianist auf.<br>In dieser kreativen Phase schrieb er nicht nur Klavierkonzerte oder Solosonaten, er experimentierte auch mit verschiedenen ungewöhnlichen Kammermusikbesetzungen, so schrieb er in dieser Zeit ein Klavierquartett für Klavier und drei Streicher und sein Kegelstatt-Trio für Klavier, Klarinette und Viola. Neuartig geprägt ist vor allem die Besetzung seines Es-Dur-Quintetts KV 452 für Klavier und Bläser.<br>Üblicherweise brilliert das Klavier bei musikalischen Akademien als Soloinstrument mit Konzerten oder Sonaten. Die Bläser, in diesem Fall Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, bilden in der Regel - paarweise verdoppelt, als Bläseroktett - die klassische Besetzung einer Harmoniemusik, lieferten leichte musikalische Kost für Gartenkonzerte oder Feste. Mozart bringt diese Welten im Es-Dur-Quintett zusammen. Frei von Gattungstraditionen gelang ihm damit ein kongenialer Wurf.<br>Trotz der ungewöhnlichen Besetzung des Quintetts lässt Mozart keine Unsicherheiten hinsichtlich der kammermusikalischen Klangbalance oder Formgestaltung erkennen. Jedem Mitwirkenden wird Gelegenheit gegeben, sich zu profilieren; jedes Instrument hat gleichermaßen teil am melodischen Geschehen und an der thematischen Arbeit. Aus den verschiedenen Klangkombinationen entwickelt Mozart einen schier unerschöpflichen Farbenreichtum. Allenfalls der Klavierpart schwingt sich gelegentlich zu solistischem Eigenleben auf, um sich jedoch sofort wieder in den kammermusikalisch-gemeinschaftlichen Gestus einzuordnen. In Mozarts Schaffen ist dieses Quintett einzigartig geblieben.<br>Mit der Besetzung vier Bläser und ein Klavier brachte Mozart zwei Welten zusammen und schuf einen kammermusikalischen Kosmos, in dem jedes Instrument seinen besonderen Charakter ausspielen kann. Mozart hat mit dieser Besetzung wenige Nachahmer gefunden.<br>Die vier Bläser, mit denen Ludwig van Beethoven 1797, in jungen Jahren, sein Es-Dur-Quintett, op. 16, realisierte, waren je zur Hälfte Böhmen und Wiener. Neben dem weithin bekannten Wiener Klarinettenvirtuosen Josef Bär musizierten der aus Böhmen stammende Oboist Josef Triebensee, der Wiener Hornist Nickl und der böhmische Fagottist Matouscheck. Wie Mozart 13 Jahre früher in seinem Quintett KV 452, dem Prototyp aller Quintette für Bläser und Klavier, so profitierte auch Beethoven von dem exorbitanten Niveau der Wiener Bläser, die zum Großteil aus tschechischen Musikern bestanden.<br>Vieles konnte der junge Beethoven für sein Quintett von Mozart übernehmen: die Tonart, den Gesamtcharakter, die Satzfolge.<br>A. W. Thayers bemerkt hierzu in seiner Beethoven-Biographie:<br>“In diesem Werke tritt Beethoven ersichtlich und unmittelbar mit Mozart in Wettstreit, der ein Quintett in ganz gleicher Zusammensetzung, in derselben Tonart und in genau derselben Form ? längere Einleitung, erster Satz, langsamer Satz, Rondo ? schrieb.” Diese Übereinstimmungen werden durch melodische Anklänge an Mozart noch unterstrichen. Gleichzeitig markiert Beethoven aber auch deutliche Unterschiede. Mozarts erstes Allegro steht im 4/4-Takt, Beethovens im 3/4-Takt, bei Mozart folgt ein Larghetto im 3/8-Takt, bei Beethoven eine Andante-Romanze im 2/4-Takt. Mozarts Rondo ist eine Gavotte, Beethovens ein Jagdfinale. Der jüngere Meister scheint dem großen Vorbild bewusst Eigenes entgegengesetzt zu haben.<br>Die dreisätzige Konzertform deutet auf den konzertanten Charakter des Quintetts hin. Beethoven stellte nach Mozarts Vorbild dem ersten Allegro eine langsame Einleitung voran. Ist diese bei Mozart eher frühromantisch-schwärmerisch im Ton, so kündigt sich bei Beethoven bereits der Sinfoniker an, den nur noch drei Jahre von seiner Ersten Sinfonie trennten. Auch im folgenden Allegro spürt man den neuen Tonfall, den der Virtuose und Komponist Beethoven anschlug. Wo Mozart eine Idealsynthese aus Belcanto, Klavierkonzert und Kammermusik gelang, setzt der junge Beethoven schroffe Akzente: Sforzati, überraschende Modulationen, krasse Dynamikwechsel. Bläser und Klavier treten einander wie die Klanggruppen eines Sinfonieorchesters gegenüber, der Klaviersatz ist raumgreifend und kraftvoll.<br>Das Andante cantabile zitiert deutlich hörbar die Arie der Zerlina “Batti, batti, o bel Masetto” aus Mozarts Don Giovanni, geht jedoch in den Episoden zwischen dem Rondeau-Thema eigene Wege. Es handelt sich um zwei solistische Couplets für Oboe bzw. Fagott und Horn. Gegen Ende weitet sich auch hier die Form durch immer dynamischer werdende Verzierungen.<br>Das Rondo enthält wiederum eine lange Durchführung und eine Coda, in der das Thema auf geniale Weise rhythmisch gedehnt wird. Bei einer späteren Aufführung erlaubte sich Beethoven in diesem Satz einen Scherz mit seinen Bläserkollegen. Der berühmte Solo-Oboist der Münchner Hofkapelle, Friedrich Ramm, war in Wien zu Gast, und Beethoven brachte mit ihm das Quintett zur Aufführung. Im Finale “fing Beethoven auf einmal an zu phantasieren, nahm das Rondo als Thema und unterhielt sich und die andern eine geraume Zeit, was jedoch bei den Begleitenden nicht der Fall war. Diese waren ungehalten und Herr Ramm sogar aufgebracht. Wirklich sah es possierlich aus, wenn diese Herren, die jeden Augenblick warteten, dass wieder angefangen werde, die Instrumente unauffällig an den Mund setzten und dann ganz ruhig wieder abnahmen. Endlich war Beethoven befriedigt und fiel wieder ins Rondo ein. Die ganze Gesellschaft war entzückt.”<br>Als Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott schrieb Beethoven das Werk für seine eigenen Wiener Konzerte im Jahr 1796. Erst 1810 erschien die eigenhändige Bearbeitung dieses Werks, das in dieser Form weit berühmter wurde, als in seiner Originalbesetzung. Überhaupt scheint das Werk geradezu ideal für Bearbeitungen zu sein, immerhin gibt es auch eine für Streichquartett, eine für Streichquintett, eine für zwei Klaviere von Joseph Czerny, sowie eine für Klavier zu vier Händen.<br><br><br>


KV 452, Klavierquintett Es-Dur
Solisten: Marek Kozák (Klavier), Ivan Séquardt (Oboe), Jaroslav Kubita (Fagott), Jiri Havlik (Horn), Petr Sinkule (Klarinette)
Aufnahme am 9. Mai 2018 im Foyer der Büroland GmbH, Chemnitz

KV 452, Klavierquintett Es-Dur
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Largo
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Allegro moderato
KV 452, Klavierquintett Es-Dur, Allegretto