KV 385 Ettlingen

Die Familie Mozart verband eine Freundschaft mit dem wohlhabenden Mäzen und Wohltäter Sigmund Haffner d. J. (1756-1787), der einer Salzburgischen Großkaufmannsfamilie entstammte und dessen Vater Sigmund Haffner d. Ä. von 1768 bis zu seinem Tod 1772 Bürgermeister von Salzburg gewesen war. Bereits im Jahr 1776 komponierte Mozart für den Polterabend der Hochzeit von Sigmunds Schwester Maria Elisabeth seine achtsätzige „Haffner-Serenade“ KV 250. Am 29. Juli 1782 wurde Sigmund Haffner aufgrund seiner Verdienste als „Haffner Edler von Innbachhausen“ in den Reichsadelsstand erhoben, und zu den diesem Anlass folgenden Feierlichkeiten sollte Mozart nun eine weitere Serenade oder Symphonie komponieren.
Mozart hatte im Jahr 1781 Salzburg endgültig verlassen, um in Wien sesshaft zu werden. Bereits am 16. Juli 1782 konnte er mit der Uraufführung seines deutschsprachigen Singspiels „Die Entführung aus dem Serail“ KV 384 im Wiener Burgtheater einen großen Erfolg feiern. Wie damals üblich, machte er sich gleich nach der Uraufführung daran, die beliebtesten Stücke aus dieser Oper für die weitere kommerzielle Nutzung einzurichten und „auf die Harmonie“ (d. h. für Blasinstrumente) zu setzen, damit sie auch auf kleineren gesellschaftlichen Anlässen zu Gehör gebracht werden konnten. Außerdem arbeitete er gerade an seiner Serenade KV 388, und seine Hochzeit mit Konstanze stand unmittelbar bevor. Daher kam es ihm recht ungelegen, als er durch die Vermittlung seines Vaters Leopold einen weiteren Kompositionsauftrag erhielt. Ein Brief Mozarts an den Vater vom 20. Juli 1782 erlaubt lebensnahe Einblicke in den Alltag eines gestressten Genies:„Nun habe ich keine geringe Arbeit: Bis Sonntag acht Tag muss meine Opera auf die Harmonie gesetzt sein, sonst kommt mir ein anderer bevor – und hat anstatt meiner den Profit davon. Und soll nun eine neue Symphonie auch machen! – Wie wird das möglich sein! (…)Je nun, ich muss die Nacht dazu nehmen, anders kann es nicht gehen – und Ihnen, mein liebster Vater, sei es aufgeopfert. Sie sollen alle Posttage sicher etwas bekommen – und ich werde so viel als möglich geschwind arbeiten – und, so viel es die Eile zulässt, gut schreiben. (…) Ich muss also schließen, um mich anzukleiden, denn wenn ich nicht im Sinn habe, auszugehen, so bleibe ich allzeit in meiner Negligée…“. Dass Mozart seinem Vater den Wunsch nach einer neuen Komposition trotz seiner Zeitnot nicht abschlug, hatte wohl hauptsächlich mit dem angespannten Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu tun. Am 27. Juli 1782 lesen wir: „Liebster, bester Vater! – Ich muss Sie bitten, um alles in der Welt bitten: Geben Sie mit Ihre Einwilligung, dass ich meine liebste Konstanze heiraten kann.“ Und: „Mein Herz ist unruhig, mein Kopf ist verwirrt.“ Gleichzeitig übersandte er ihm (wie zur Besänftigung) „das erste Allegro“ und stellt „die 2 Menuett das Andante und letzte Stück“ in Aussicht. Am 31. Juli schrieb er: „Sie sehen dass der Willen gut ist; allein wenn man nicht kann, so kann man nicht! Ich mag nichts hinschmieren. – Ich kann Ihnen also erst künftigen Posttag die ganze Symphonie schicken.“ In seinem Brief vom 7. August 1782 gestand er, im Vertrauen auf die eintreffende Einwilligung des Vaters Konstanze bereits am 4. August geheiratet zu haben (Leopolds Brief mit der Einwilligung kam erst am 6. August an). Dem Brief lagen auch die noch fehlenden Teile des neuen Werkes bei: „Hier schicke ich Ihnen einen kurzen Marsch! – Wünsche nur, dass noch alles zur rechten Zeit kommen möchte – und nach ihrem Geschmack sei.“ Das Werk in seiner ursprünglichen Fassung (die nicht mehr existiert) war also eine sechssätzige Serenade, sozusagen eine zweite Haffner-Serenade. Immerhin schien Leopold mit der Arbeit seines Sohnes zufrieden gewesen zu sein, denn Mozart schrieb ihm am 24. August 1782: „Mich freut es recht sehr, dass die Symphonie nach ihrem Geschmack ausgefallen ist.“
Ein paar Monate später, am 21. Dezember 1782 bat Mozart seinen Vater, das Werk aus Salzburg zurückzuschicken, da er es in einer seiner geplanten Akademien zu verwenden gedachte. Leopold ließ sich einige Zeit, und erst nach mehreren Erinnerungsschreiben konnte Mozart den Erhalt am 15. Februar 1783 bestätigen: „Die neue Haffner-Symphonie hat mich ganz surprenirt – denn ich wusste kein Wort mehr davon – die muss gewiss guten Effekt machen.“ Er unterzog das Werk nochmals einer Revision, in dem er ein Menuett und den Marsch strich sowie in den Ecksätzen Flöten und Klarinetten hinzufügte - die in der heutigen Form bekannte „Haffner-Symphonie“ war geboren. Die Uraufführung erfolgte am 23. März 1783 im Wiener Burgtheater, wo Mozart seine erste eigene Akademie (= Konzert) gab, die seine Etablierung als freischaffender Musiker markierte. In dem mehr als vier Stunden dauernden Programm wurden ausschließlich seine eigenen Werke aufgeführt, darunter Arien aus den Opern „Idomeneo“ und „Lucia Silla“, das Klavierkonzert KV 415 sowie weitere Gesangsstücke und Klavierkompositionen. Die neue „Haffner- Symphonie“ umrahmte das Programm, indem die ersten drei Sätze zu Beginn und der letzte Satz zum Schluss des Konzerts gespielt wurden. Am 29. März 1783 berichtete Mozart an seinen Vater: „Ich glaube es wird nicht nötig sein Ihnen viel von dem Erfolg meiner Akademie zu schreiben, sie werden es vielleicht schon gehört haben. Genug; das Theater hätte unmöglich voller sein können, und alle Logen waren besetzt. – Das liebste war mir, dass seine Majestät der Kaiser auch zugegen war, und wie er vergnügt war, und was für lauten Beifall er mir gegeben…“
Obwohl diese Symphonie gar nicht als solche geplant war, und Mozart sich offenbar selbst nicht mehr an ihre Entstehung erinnern konnte, zählt sie zu seinen großen, bedeutenden Symphonien. Während die Mittelsätze eher dem heiteren Serenaden- Charakter entsprechen, atmen die Außensätze mit ihrer kunstvollen Verarbeitung des Themenmaterials symphonische Größe und Erhabenheit. Nach Mozarts Willen muss das erste Allegro „recht feurig gehen“ und das Finale (welches an die Arie Osmins „Ha, wie will ich triumphieren“ erinnert) „so geschwind als es möglich ist.“
Text: Frank Christian Aranowski

KV 385 Chemnitz Kreuzkirche

Die Haffner-Symphonie war ursprünglich eine Salzburger Serenade mit Einzugsmarsch und einem weiteren Menuett. Mozart schrieb sie in großer Eile, was dem effektvollen Stück nicht anzumerken ist, im Juli 1782 für die Nobilitierung des Patriziersohns Sigmund Haffner. Die Symphonie müsse „gewiss großen Effekt“ machen, meinte Mozart - womit er völlig recht hatte.

KV 385, Sinfonie Nr. 35 D-Dur (Haffner-Sinfonie)
Orchester: Kammerorchester Netzwerk III
Leitung: Howard Arman
Aufnahme in der Kreuzkirche Chemnitz am 07.05.2011

KV 385, Sinfonie Nr. 35 D-Dur
KV 385, Sinfonie Nr. 35 D-Dur, Allegro con spirito
KV 385, Sinfonie Nr. 35 D-Dur, Andante
KV 385, Sinfonie Nr. 35 D-Dur, Menuetto - Trio - Menuetto
KV 385, Sinfonie Nr. 35 D-Dur, Finale - Presto