Matthäuskirche Stuttgart

Das oratorische Benefizprojekt des Bachchors Stuttgart im Sommer 2016 entstand im Rahmen des kirchenmusikalischen Praktikumsjahres von Kantor Daniel Tepper. Als eigenständig iniziierte und organisierte Konzertkonzeption stellte es die Abschlussarbeit seiner einjährigen Assistenzzeit an der Stadt- und Lutherkirche in Bad Cannstatt dar.
In enger Kooperation mit dem Stuttgarter Sinfonieorchester »Pro Musica« und drei jungen Solisten der Gesangsklasse von Prof. Bernhard Gärtner an der »Hochschule für Musik und Darstellende Kunst« Stuttgart konnten zwei Benefizveranstaltungen zu Gunsten der bevorstehenden Orgelsanierung in der Lutherkirche Bad Cannstatt und der Arbeit des Kinderhospiz' Stuttgart realisiert werden.
Durch die vorangegangene intensive Probenphase wurde auf eindrückliche Weise ein gemeinsames Musizieren und Kommunizieren der verschiedenen Generationen gefördert, und gleichzeitig den jungen Studenten eine ideale Möglichkeit geschaffen, in großem, sinfonischen Rahmen solistisch aufzutreten. Die programmatische Kontrastierung des kammermusikalisch beeindruckenden Flötenkonzerts von W.A.Mozart mit dem sinfonisch-oratorisch angelegten »Lobgesang« von F.Mendelssohn Bartholdy erforderte von den Musikern äußerste Flexibilität, kontrollierte atmosphärische Gestaltung und einen stetig dramatischen Atem, um die 90-minütige Spielzeit in ihrer abwechslungsreichen Verschiedenheit unter einem großen Spannungsbogen zusammenfassen zu können.



KV 313, Konzert für Flöte und Orchester G-Dur
Orchester: Pro Musica Stuttgart
Solistin: Sabine Bauer-Berisha (Flöte)
Leitung: Daniel Tepper
Aufnahme am 22. Juli 2016 in der Matthäuskirche Stuttgart-Heslach

KV 313, Konzert für Flöte und Orchester G-Dur
KV 313, Konzert für Flöte und Orchester G-Dur, Allegro maestoso
KV 313, Konzert für Flöte und Orchester G-Dur, Adagio ma non troppo
KV 313, Konzert für Flöte und Orchester G-Dur, Rondo-Tempo di Menuetto

KV 313 Matthäuskirche Stuttgart

Mozart, so heißt es im Allgemeinen, habe die Flöte nicht sonderlich geliebt. Diese Einschätzung beruht im Wesentlichen auf einer brieflichen Äußerung des Komponisten gegenüber seinem Vater. Während seiner Parisreise in den Jahren 1777 bis 1779 begründete er die Verzögerung bei der »Komposition« eines Flötenwerkes unter anderem damit, er sei »gleich stuff«, wenn er »für ein Instrument (das ich nicht leiden kann) schreiben soll«. Auf merkwürdige Weise kontrastiert damit, dass sich das ungeliebte Instrument nicht nur im Titel von Mozarts Meisteroper »Die Zauberflöte« findet, sondern dass es auch in seinen Orchesterwerken und Opern immer wieder eine herausragende Rolle einnimmt. Die Flöte trägt ganz wesentlich zu jenem außerordentlich delikaten BLäserklang bei, der als eines der Markenzeichen Mozarts gilt.
Davon abgesehen stammen von Mozart unter anderem aber auch drei Flötenquartette und zwei Flötenkonzerte, die offensichtlich mit schöpferischer Laune geschrieben sind und dementsprechend zu den beliebtesten Werken für dieses Instrument gehören. Anlass für die »Komposition« dieser Werke war im Wesentlichen ein Großauftrag des holländischen Flötenliebhabers Ferdinand Dejean für »drei leichte und kurze Concertln und ein paar Ouarttro auf der Flöte«. Mozart hatte Dejean, einen angesehenen und wohlhabenden Arzt, in Mannheim kennen gelernt, wo er auf seiner Reise nach Paris längere Zeit Station machte. Der Auftrag war für den 21-jährigen Komponisten ehrenhaft und sollte mit 200 Gulden gut bezahlt werden. Bei dessen Ausführung hatte Mozart aber Probleme. Dafür dürfte allerdings nicht nur die genannte Aversion gegen die Flöte verantwortlich gewesen sein. Mozart zog es seinerzeit vor, sich persönlich und künstlerisch mit der jungen Aloysia Weber, seiner späteren Schwägerin, zu befassen, einer begabten Sängerin, in die er sich verliebt hatte und mit der er zum Schrecken seines Vaters statt Karriere in Paris zu machen am liebsten nach Art reisender Musikanten durch die Welt gezogen wäre. Er hatte daher nur begrenzte Zeit und Lust zum Geldverdienen. Da er sich den lukrativen Auftrag aber dennoch nicht entgehen lassen wollte, griff er offenbar bei beiden Flötenkonzerten auf vorhandene Werke zurück.

Im Falle des Konzertes KV 414 ist dies gesichert. Mozart transponierte hier ein kurz zuvor entstandenes Oboenkonzert in C-Dur mit leichten Veränderungen in die Tonart D-Dur. Das zweite Konzert (KV 313) hielt man bis vor kurzem für eine Neukomposition zur Erfüllung von Dejeans Auftrag. Es scheint aber, dass Mozart auch in diesem Fall an ein früheres Werk anknüpfte. Man hat inzwischen nämlich im Tagebuch eines Salzburger Hofrates eine Notiz gefunden, wonach Mozart ein Jahr zuvor in Salzburg für den Geburtstag seiner Schwester verschiedene Werke aus seiner Feder probte, darunter auch ein Flötenkonzert. Da ein weiteres Konzert von Mozart für dieses Instrument nicht bekannt ist, dürfte es sich daher um das Werk KV 313 handeln. Dafür sprechen im Übrigen Besonderheiten in der Besetzung des Konzertes, die typisch für Mozarts Salzburger Zeit sind, die mit seiner Abreise nach Paris vorläufig beendet war. Im langsamen Satz sind auch im Orchester Flöten vorgesehen, die in der Salzburger Kapelle mangels hauptamtlicher Flötisten von Oboisten gespielt wurden. Offenbar um Dejeans Wunsch nach einem klein besetzten Orchester zu entsprechen, komponierte Mozart dann in Mannheim offenbar als »Austauschsatz« zusätzlich das Andante für Flöte und Orchester KV 315, bei dem keine Flöten besetzt sind.Möglicherweise sind die Rückgriffe auf schon vorhandenes Material auch der Grund dafür, dass Dejean statt der vereinbarten 200 Gulden schließlich nur 96 bezahlte.

Die Form der beiden Konzerte orientiert sich an den Mustern, welche Mozart in seinen Violinkonzerten aus dem Jahre 1775 entwickelt hatte. Dem Orchester ist auch hier eine weitgehend eigenständige Rolle zugeteilt. Die Motive sind vielfältig und werden in lockerer Reihung fortgesponnen und verarbeitet. Inhaltlich überwiegt das spielerisch-unbeschwerte Element. Im Konzert KV 313 sticht aber der außerordentlich tiefsinnige langsame Satz heraus.

Text: Klaus Heitmann


Sabine Bauer-Berisha

Sabine Bauer-Berisha wurde in Düsseldorf geboren und absolvierte ihr Musikstudium in Stuttgart bei Prof. Schochow, sowie in Freiburg bei Prof. Delius. Seit ihrem Studium ist sie in zahlreichen Orchestern, verschiedenen Kammermusikgruppen und als Solistin konzertant tätig.


Pro Musica Stuttgart

Das Orchester PRO MUSICA STUTTGART steht seit dem Jahr 1962 unter der Leitung von Jürgen Klenk. Ehemals von Schülern, Studenten und Liebhabern gegründet, setzt es sich auch heute aus Berufsmusikern und Mitgliedern verschiedenster Berufe, Studenten und Schülern zusammen. Eine kammersinfonische Besetzung und das hohe Engagement der Musiker ermöglichen die Erarbeitung eines vielseitigen Programms, das vom barocken Streicherkonzert bis zur romantischen Sinfonik und zum oratorischen Werk reicht.
Mit rund 30 aktiven Mitgliedern wird in wöchentlichen Proben das Programm für etwa 10 Konzerte im Jahr erarbeitet.
Die Zusammenarbeit mit Kantoreien aus Stuttgart ermöglicht dem Orchester darüber hinaus die Aufführung bedeutender Werke der Kirchenmusik, wie Kantaten, Messen, Oratorien u.a.


Daniel Tepper

Daniel Tepper (*1990) erhielt mit 6 Jahren seinen ersten Klavierunterricht sowie eine sängerische Ausbildung bei den Aurelius-Sängerknaben Calw. Er wurde mehrfacher Bundespreisträger bei »Jugend musiziert« und nahm an zahlreichen Konzertreisen sowie Solisteneinsätzen im In- und Ausland teil. Auftritte als einer der 3 Knaben aus W.A. Mozarts »Zauberflöte« auf Bühnen der Opernhäuser Heidelberg, Karlsruhe, Kassel, Bonn, Amsterdam und der Staatsoper Berlin, sowie die Hauptrolle »Miles« in B. Brittens »The turn of the Screw« an der Oper Frankfurt und die Hauptrolle »Pollicino« in H.W. Henzes »Pollicino« festigten seine Bühnenerfahrung.
Ab dem 10. Lebensjahr erhielt er Oboenunterricht sowie Orgelunterricht bei KMD Stefan Skobowsky (Heilbronn) und Rose Reich (Calw). Im April 2005 wurde ihm der Befähigungsnachweis für Orgelspiel, und im September der 1. Preis beim 1. Württembergischen Wettbewerb für Gottesdienstliches Orgelspiel verliehen.
Nach zweijährigem C-Kurs bei KMD Bernhard Reich (Calw) schloss er Anfang Oktober 2007 die C-Prüfung in Orgelspiel und Chorleitung ab, woraufhin er von 2008 bis 2011 zum Jungstudenten an der HochschuLe für Kirchenmusik in Tübingen zugelassen wurde. Der 2. Preis beim 2. Württembergischen Wettbewerb für Gottesdienstliches Orgelspiel wurde im September 2008 an ihn vergeben. Dirigentische Erfahrungen sammelte er als Chorleiter des Singkreises Deckenpfronn sowie während seiner 5-jährigen Tätigkeit als Leiter der Mauritiuskantorei Ofterdingen, welche in dieser Zeit zahlreiche Bachkantaten und einige Oratorien wie z.B. den »Messias« von G.F.Händel, den »Tod Jesu« von C.H.Graun und das »Weihnachtsoratorium « von J.S.Bach zur Aufführung brachte.
Beim 1. Heidelberger Orgelwettbewerb im Oktober 2009 ging Daniel Tepper als 2. Preisträger und Gewinner des »Improvisations-Sonderpreis« hervor.
Er wurde 2011 als Stipendiat in die Konrad-Adenauer-Stiftung aufgenommen und begann sein Kirchenmusikstudium an der Hochschule für Kirchenmusik Tübingen, welches er 2013 mit dem B-Diplom und 2015 mir dem A-Diplom abschließen konnte. Neben seiner Korrepetitionstätigkeit beim Akademischen Chor und dem Kammerchor »Camerata vocalis« der Eberhard Karls Universität Tübingen unter Leitung von UMD Philipp Amelung erhielt er wichtige musikalische und künstlerische Impulse durch zahlreiche Meisterkurse, unter anderem bei Martin Schmeding (Freiburg), David Timm (Leipzig), Markus Uhl (Freiburg], Michael Gees (Gelsenkirchen), Martin Sander (Heidelberg/Detmold), Morten Schuld-Jensen (Freiburg) und Helmut Rilling (Stuttgart).
Im Dezember 2015 wurde Daniel Tepper zum Bezirkskantor an der romanischen Martinskirche Sindelfingen gewählt - dieses Amt wird er am 1. Oktober 2016 antreten.